
WEGE
- Der Duft nach Zimt und Orangen
- Ein Brief an Freunde anlässlich Deines Geburtstages
- Stern in der Nacht - für Dich, Simeon
- Schulweg
- Deine lieben Freunde
- Freunde in einer anderen Welt?
- Aufbruch in die "Neue Welt"
- Briefe an Dich, Geschichten für Dich
- Gedenkfeier in der Schule
- Hatun, wir treffen uns zufällig
- Nora, Songül und Zaynab
REISE NACH RHODOS
Der Weg vom Flughafen zum Hotel ging eine Uferstraße am Meer entlang. In den Ortschaften kauern sich die Häuser an felsige Hügel, mediterran, weiß, gelb, sandfarben. Palmen, Kakteen, Olivenbäume, alles von einem staubigen Schleier überzogen.
Ich finde, dass manche Orte sich auf eigentümliche Weise ähneln: Während wir dort am Mittelmeer entlang fuhren, erinnerte mich die Szenerie an Kalifornien. Die Sonne, das Meer auf der linken Seite, die kleinen schiefen Schuhkarton-Häuser, eng aneinander gebaut, direkt an der lauten, viel befahrenen Straße. Helle, Farben, staubige, teilweise kaputte, improvisierte Häuser. Ich dachte, es könnte Dir gefallen hier, weil alles so unkompliziert, so „gechilled“ wirkt.
Der Kontrast zwischen dem einfachen, ärmlichen Leben und der überquellenden Natur, dem Wasser, der Sonne, dem Himmel.
Sieh mal, das Meer: Türkisblau! Die Sonne hat den Himmel und das Wasser verschwenderisch mit Glanz und Farbe überzogen. Der Straßenrand ist eine langgestreckte Müllhalde, dazwischen ragen Blumen auf, trotz dieser Trockenheit haben sie riesige Blüten, rot, pink, gelb und violett.
Unser Hotel liegt am Meer, nur eine Straße und eine Kreuzung trennen uns vom Strand. Unser Zimmer hat eine Terrasse mit Meerblick. Außerdem haben wir freie Sicht auf eine Tankstelle, eine Motorradvermietung und eine Autovermietung. Unten knattern Mopeds, hupen Taxifahrer und Lieferanten. Ununterbrochen brummt der Verkehr.
Nach dem wir unsere Sachen ins Zimmer gebracht haben, gehen wir zum Strand. Über die Kreuzung, eine halbe Drehung im Kreisverkehr, die Autos rasen, wir hüpfen aufgeregt zwischen den Fahrzeugen hindurch. Gleich hinter der Hauptstraße nur wenige Stufen hinab liegt ein unendlich wirkendes Meer. Am Ufer liegen rundgeschliffene Steine, weiß und grau in allen Schattierungen.
Ich hebe einige dieser großen Kiesel auf: Sie sind glatt und erstaunlich symmetrisch, oval und flach. Sie lassen sich mit etwas Geduld zu kleinen Türmchen aufstapeln.
Wir waten durch das schmeichelnd lauwarme Wasser, die Brandung übertönt den Verkehrslärm.
Türkis das Wasser vorn, azurblau weiter hinten. Ich denke immer an Dich. Ich denke, dort wo das Wasser tiefer wird, ertrinkst Du. Wenn Du hättest erkennen können, wo das Wasser tief, und wo es flach war, hätte Deine Kraft dann gereicht? Du hättest Deine Angst bezwungen? Ein paar Züge weiter hättest Du schon stehen können, vielleicht.
Ich weine am Meer. Salz überall. Das Meer ist viel salziger als meine Tränen. Ich hasse das Meer, das schöne Meer. Ich bringe Dir Steine mit. Ich suche schöne, glatte, makellose Steine für Dich aus. Im Hotelzimmer stapele ich sie auf dem Nachttisch zu kleinen Türmen aufeinander. Dahinter steht Dein Bild. Die Steine passen zu Dir: Sie sind hell, glatt und schön.
Ich frage mich, wie ich leben kann. Ich bin am falschen Ort. Egal wo. Unglück. Überall. Hier. Überall.
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