
WEGE
- Der Duft nach Zimt und Orangen
- Ein Brief an Freunde anlässlich Deines Geburtstages
- Stern in der Nacht - für Dich, Simeon
- Schulweg
- Deine lieben Freunde
- Freunde in einer anderen Welt?
- Aufbruch in die "Neue Welt"
- Briefe an Dich, Geschichten für Dich
- Gedenkfeier in der Schule
- Hatun, wir treffen uns zufällig
- Nora, Songül und Zaynab
REISE NACH RHODOS
19.September
Ich bin allein in die Altstadt gegangen. 11:30 Uhr. Ich suche Viertel, die wir noch nicht entdeckt haben: Das türkische Viertel, das jüdische Viertel. Ich bin alleine. Die Sonne brennt mir auf die Schultern. Ich möchte irgendwo sitzen und weinen.
Sonntag. Die Eingangstür einer Kirche steht offen. Die kleinen Lichtpunkte der Kerzen versprechen Geborgenheit. Es ist eine chaotische Baustelle. Nur im Vorraum brennen die langen, schmalen Kerzen. Dort wo ich den Altarraum vermutete, klafft ein Loch wie ein Trichter im Fußboden. Staub, Schmutz, Mauersteine, Leitern, Werkzeug. Ich nehme mir eine Kerze aus der geschnitzten Holzschale, zünde das Lichtlein an und stecke es neben die anderen in den Sand. Draußen blendet mich die Sonne. Ich fotografiere weiter, bis es mich anekelt. Wozu Bilder, Dinge, Gegenwart festhalten. Du wirst sie niemals sehen, diese Bilder. NICHTS. Illusion. Ich will nicht leben, nicht fotografieren, nicht schreiben. Ich will nicht mehr denken und nicht mehr fühlen. Ich habe keine Aufgabe und keinen Sinn.
Montag, 20. September
Kloster Filerìmos. Von Rhodos kann man mit dem Bus bis Ialissos fahren, dann zu Fuß in Serpentinen den Berg hinauf wandern. Hitze und Sonne. Dann und wann müssen wir in den Straßengraben treten, wenn ein Reisebus vorbeischnieft. Auf halbem Weg eine winzige Kapelle, eine Kerze für Dich und Tränen. Weiter laufen. Ich laufe schnell, beginne zu schwitzen, die Füße werden schwer. Egal. Du musstest mit dem Tod kämpfen. Ich will Dir nah sein, Simeon. Wie?
Das Kloster, hoch über dem Meer, am Rande des Felsens, ist eine weitläufige Anlage mit Wegen und Hainen, mit Mauern und Wandelgängen aus dem 15. Jahrhundert. Touristen latschen umher und reden und schauen ratlos. Die meisten Räume sind verschlossen. Wir erfahren wenig. Ob hier noch Mönche wohnen und beten und arbeiten? Ob hier Einsamkeit, Besinnung und Einkehr ein Zuhause haben? Weit ab, im hintersten Teil des trockenen, heißen Klosterhains, nahe dem Abhang steht eine Ruine. Da huscht eine Eidechse an der Wand entlang. Sie sieht aus wie ein kleiner Saurier mit einem Zackenkamm am Kopf und ist grau gemasert, wie die Mauersteine aus Sandstein und Kalk.
Ich versuche sie zu fotografieren. Sie kriecht in ein Mauerloch, ihr Schwanz ist noch zu sehen, ich nehme einen dünnen Zweig und piekse sie am Schwanz, sie rührt sich nicht und stellt sich tot. Ich lasse sie.
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